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Selbstmitgefühl

Wie du WIE DU SELBST DEINE BESTE FREUNDIN WIRST

Mit dir selbst so liebevoll umgehen, wie mit deinen Liebsten – tust du das? Wir verraten dir warum Selbstmitgefühl so wichtig ist und wie du es lernen kannst

 

Kennst du diese Sätze? „Das packst du nicht, dafür bist du zu blöd!“, „War doch klar, dass das nichts wird!“ oder „Nee, lass das mal lieber sein, da überschätzt du dich!“ Wahrscheinlich den einen oder anderen.

Das aus dem Mund deiner Freundin zu hören, wenn du gerade mit dir zu kämpfen hast, tut schon ganz schön weh! Aber wie krass ist es dann erst, wenn du solche Sätze selbst an dich richtest? Doch genau so ist es. Diese gemeinen Sätze kommen dir bekannt vor, nicht aber aus dem Mund einer Freundin, sondern vielmehr, weil du sie dir selbst sagst. Viele tun das.

Damit solltest du schleunigst aufhören und dir stattdessen eine dicke Portion Selbstmitgefühl schenken! Von den Menschen, die dir am nächsten stehen, erhoffst du dir schließlich Zuneigung und Verständnis. In schwachen Momenten möchtest du aufgebaut oder einfach fest gedrückt werden. Du möchtest Mitgefühl. Auch von dir selbst.

 

Was ist Selbstmitgefühl?

Ganz simpel gesagt, ist Selbstmitgefühl ein Mitgefühl, das du dir selbst entgegenbringst. Das klingt ein bisschen wie um zwei Ecken gedacht, weil Mitgefühl per Definition etwas ist, dass wir mit anderen haben. Aber vielleicht ist der Mangel eines besseren Wortes schon ein gutes Zeichen dafür, dass es grundsätzlich an etwas fehlt.

Es geht darum, in den Momenten, in denen du leidest, mit Verständnis und Fürsorge auf deine eigenen Emotionen zu reagieren und liebevoll mit dir umzugehen, so wie du es auch mit deinen Liebsten in vergleichbaren Situationen tun würdest. Und nicht draufzuhauen.

Anstatt deine größte Kritikerin zu sein und dich selbst zu verurteilen, akzeptierst du durch Selbstmitgefühl deine Fehler und nimmst dich deiner negativen Gefühle an. So bietest du dir selbst eine Schulter zum Anlehnen. Selbstmitgefühl bedeutet, dass du dir selbst am Herzen liegst und damit aufhörst zu versuchen perfekt zu sein. Denn perfekt, wer ist das schon?!

 

Warum ist Selbstmitgefühl so wichtig?

Achtsamkeits-Coach und Moderatorin Alexandra Haring (aha-coach.com) weiß jedenfalls, was passiert, wenn du nicht mit dir fühlst: „Der weit verbreitete Mangel an Selbstmitgefühl macht uns unzufrieden, frustriert, laugt uns aus und kann uns auf Dauer krank machen. Das Konzept des Selbstmitgefühls stellt dem inneren Kritiker eine gute Freundin zur Seite, eine wohlmeinende Stimme, die unseren Schmerz anerkennt, uns tröstet und für uns sorgt. Sie stärkt unsere seelischen Abwehrkräfte, baut uns nach Fehlschlägen wieder auf und ist damit ein wesentlicher Resilienzfaktor.“

Resilienz ist deine psychische Widerstandsfähigkeit. Selbstmitgefühl hat also positive Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden. Indem du aufhörst, selbst deine größte Kritikerin zu sein und dir stattdessen mit Liebe und Fürsorge begegnest, vermindern sich nachweislich deine Ängste und Sorgen, und sogar dein Stresslevel sinkt. Selbst Depressionen können dadurch reduziert werden.

 

Welche Vorteile bringt Selbstmitgefühl?

Unter Kristin Neff, Professorin für Psychologie und Persönlichkeitsentwicklung an der University of Texas und Pionierin auf dem Gebiet des Selbstmitgefühls, ergab sich in einer Studie im Jahr 1990, dass Selbstmitgefühl die Motivation fördert und dazu anspornt nach einer Niederlage weiterzumachen.

Wissenschaftler um Ashley Batts Allen, heute Professorin der Psychologie an der University of North Carolina at Pembroke, fanden außerdem heraus, dass ältere Menschen vor allem dann zufriedener sind, wenn sie mehr Selbstmitgefühl besitzen, selbst wenn sie an gesundheitlichen Problemen leiden.

Und auch auf Partnerschaften wirkt Selbstmitgefühl wie ein Wundermittel. Es findet ein konstruktiver Umgang mit den eigenen Gefühlen statt, wodurch Konfliktsituationen und Spannungen ruhiger angegangen werden.

 

Wie kann ich Selbstmitgefühl erlernen?

Die gute Nachricht: Selbstmitgefühl kannst du lernen! Kristin Neff entwickelte das Konzept des Selbstmitgefühls und machte es zum Forschungsgegenstand der Psychologie.

In ihrem Buch Selbstmitgefühl – Wie wir uns mit unseren Schwächen versöhnen und uns selbst der beste Freund werden nennt sie 3 elementare Faktoren, die dich Schritt für Schritt zu einem liebevolleren Umgang mit dir selbst führen.

1. Selbstfürsorge vs. Selbstverurteilung

Anstatt dich zu verurteilen und zu kritisieren, versuche besser, fürsorglich mit dir umzugehen. Fehler machen gehört zum Leben dazu. Wenn etwas nicht so funktioniert, wie du es dir wünschst, macht dich das nicht gleich zu einer Versagerin! Versuche dir in solchen Momenten mit Liebe und Rücksicht zu begegnen.

2. Gemeinsames Menschsein vs. Isolation

Wenn du dir selbst sagst, versagt zu haben, grenzt du dich automatisch von allen anderen Menschen ab. Schließlich können die es eh viel besser als du, oder? Indem du deine Wahrnehmung über dein empfundenes Leiden hinaus öffnest, wirst du erkennen, dass du nicht allein mit deinen Gefühlen bist.

Denn jeder Mensch macht schlechte Erfahrungen, jeder Mensch erlebt Schmerz, jeder Mensch macht Fehler. Und wichtiger noch: Jeder Mensch fühlt sich fehlerhaft. Vielmehr, dass dich dein Versagen also von allen anderen trennt, vereint es dich mit ihnen. Unvollkommenheit gehört zum Mensch-Sein einfach dazu und das ist völlig okay!

3. Achtsamkeit vs. Überidentifikation

Es ist wichtig, dass du deine Gefühle erkennst, sie mit Abstand betrachtest und annimmst. Du sollst dich weder von ihnen einnehmen lassen, noch sollst du sie unterdrücken. Indem du dir bewusst eingestehst, dass gerade etwas schiefgelaufen ist und es dir nicht gut damit geht, verhinderst du in ein dunkles Loch zu fallen.

 

Mindful Self-Compassion: Achtsames Selbstmitgefühl

Selbstfürsorge und Akzeptanz von Fehlern sind wichtige Punkte, wenn es um Selbstmitgefühl geht. Jedoch spielt vor allem Achtsamkeit eine große Rolle. Unter dem Konzept Mindful Self-Compassion (MSC), zu Deutsch „Achtsames Selbstmitgefühl“, fassen Kristin Neff und Dr. Christopher K. Germer, klinischer Psychologe und Dozent der Psychologie an der Harvard Medical School, die beiden Begriffe zusammen.

Alexandra Haring, die selbst MSC coacht, sagt: „Achtsamkeit und Selbstmitgefühl sind wie die beiden Flügel eines Vogels, die uns mit Leichtigkeit und Freude durch unser Leben tragen.“

Die beiden Komponenten gehen also Hand in Hand, denn indem du achtsam lebst, weißt du genau was in dir und um dich herum passiert. Dieses Bewusstsein ist notwendig für einen fürsorglichen Umgang mit dir selbst.

Für ein intensives und schnelles Aneignen von Mindful Self-Compassion, gibt es 8-wöchige Kurse, an denen du teilnehmen kannst. Nach dem Konzept von Neff und Germer werden hier Übungen, Meditationen und auch Interaktionen in Kleingruppen durchgeführt, damit du lernst dir ein warmherziger und unterstützender Begleiter zu sein.

 

Schnelle Tipps für mehr Selbstmitgefühl

Auch Achtsamkeits-Coach Alexandra Haring bietet entsprechende Kurse an. Sie hat uns aber auch Sofort-Tipps für den Alltag verraten.

  • Die Selbstmitgefühlspause: Nimm dir einen Moment für dich und orientiere dich an den 3 Faktoren von Neff: Sei freundlich zu dir selbst und behandle dich, wie du deine gute Freundin in diesem Moment behandeln würdest. Erinnere dich daran, dass Fehler okay sind und dein Leiden eine Daseins-Berechtigung hat. Nimm deine Gefühle bewusst wahr.
  • Liebevolles Atmen: Nimm eine angenehme und entspannte Position ein, schließe die Augen und lege deine Hand auf dein Herz, wenn du magst. Widme dich nun vollkommen deiner Atmung. Deine Gedanken kannst du dabei kommen und gehen lassen. Wichtig ist, dass du spürst, wie dein Atem in dich hinein und wieder hinaus fließt, wie er dich nährt und mit Leben füllt.

  • Express-Hilfe: Lege deine Wange in deiner Hand ab oder spüre dein Herz schlagen. Streichle deine eine Hand mit deiner anderen oder umarme dich selbst. Indem du dir kleine Berührungen schenkst, zeigst du dir, dass du für dich da bist.

Selbstmitgefühl lernst du nicht von heute auf morgen, jedoch wirst du einen langfristig liebevollen Umgang mit dir erfahren, wenn du diese Strategien immer dann anwendest, wenn du wieder einmal kritisch mit dir selbst bist, es nicht so läuft, wie du es gerne hättest oder du dich wie eine völlige Versagerin fühlst.

 

Warum Selbstmitgefühl nicht das Gleiche ist wie Selbstmitleid

Selbstmitgefühl, Selbstmitleid, Selbstbewusstsein – die Liste der sich ähnelnden Wörter ist lang! Dass du da den Überblick verlierst, ist kein Wunder. Das hier solltest du wissen:

Selbstmitgefühl ist kein Selbstmitleid

Achtung! Selbstmitgefühl heißt nicht, in Selbstmitleid zu baden! Vielmehr ist Selbstmitgefühl ein Gegenmittel dafür. Während man bei Selbstmitleid in seine Probleme eintaucht und sich in ihnen verliert, erlaubt achtsames Selbstmitgefühl mit Abstand auf die eigenen Emotionen zu blicken und eine bessere Perspektive zu gewinnen, ganz ohne großes Drama.

„Paradoxerweise hilft uns Selbstmitgefühl also schwierige Emotionen gründlicher zu verarbeiten und dann wieder loszulassen“, so Haring. Achte also auf einen bewussten Umgang mit deinen Gefühlen und bewahre dir so die Distanz zur Übertreibung.

 

Selbstbewusst durchs Leiden gehen – lieber nicht!

Genauso unterscheidet sich auch Selbstbewusstsein von Selbstmitgefühl. Dein Selbstbewusstsein schwankt andauernd. Mal fühlst du dich super selbstbewusst und mal absolut am Boden zerstört.

Das Problem: Wenn du scheiterst, verwandelt sich dein Selbstbewusstsein schnell in Selbstkritik. Was wirklich stärkt ist Selbstmitgefühl, denn das bleibt konstant. Es wird dich also genau in den Momenten auffangen, in denen dein Selbstbewusstsein am Boden ist und dir dabei helfen es langfristig und stabil wieder aufzubauen.

 

Heißt Selbstmitgefühl sich selbst zu lieben?

Ähnlich wie Selbstbewusstsein baut Selbstliebe auf Selbstmitgefühl auf. Wenn du Selbstmitgefühl lernst, lernst du deine Schwächen zu akzeptieren und dein inneres Kind zu umarmen. Du lernst deine Gefühle so hinzunehmen wie sie sind. Das sind wichtige Voraussetzungen, um dir selbst auch genügend Liebe entgegenzubringen. Wenn du dich selbst lieben willst, beginne also damit dir mit Fürsorge zu begegnen und deine beste Freundin zu werden.

Mitgefühl verdient jeder, auch du. Bringe es dir selbst entgegen, indem du dich mit deinen Schwächen versöhnst, das tust, was dir gut tut, und dir stets mit Liebe begegnest.

Original-Artikel: Woman’s Health
Text: Lena Oelschlegel